Ausländerrecht für die Polizei

von Volker Westphal und Edgar Stoppa

 

Informationen zum internationalen, europäischen

und nationalen Ausländerrecht

seit 02.09.2000 im Internet

 

 

 

 

 
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EuGH „Soysal“: Visumfreiheit für türkische Staatsangehörige

 

Mit Urteil vom 19.02.2009 „Soysal“ Rs. C-228/06 hat der EuGH entschieden: Art. 41 I des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen EWG-Türkei ist dahin auszulegen, dass er es ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Protokolls zum 01.01.1973 verbietet, ein Visum für die Einreise türkischer Staatsangehöriger in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats zu verlangen, die dort Dienstleistungen für ein in der Türkei ansässiges Unternehmen erbringen wollen, wenn ein solches Visum zu jenem Zeitpunkt nicht verlangt wurde. Türken konnten am 01.01.1973 im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit visumfrei nach Deutschland reisen. Diese Rechtslage gilt fort. Das Urteil erging im Fall von türkischen LKW-Fahrern, die für ein türkisches Unternehmen nach Deutschland fahren wollten. Es betrifft aber generell das Verhältnis von Dienstleistungsfreiheit, Stand-Still-Klausel und Visumpflicht und gilt daher für andere Gruppen von Dienstleistungserbringern (z.B. Geschäftsleute) und Dienstleistungsempfängern (z.B. Touristen). Damit ist klargestellt, dass diese türkischen Staatsangehörigen ab sofort (wieder) wie Positivstaater reisen können. Türkische Staatsangehörige dürfen unter Berücksichtigung der Rechtslage am 1.1.1973 ohne Visum nach Deutschland einreisen, wenn sie entsprechend § 1 Abs. 2 Nr.1 DVAuslG1965 einen Aufenthalt von höchstens drei Monaten planen und keine Erwerbstätigkeit aufnehmen wollen oder für höchstens 2 Monate als Geschäftsreisende nach Maßgabe des § 1 Abs. 2 Nr. 2 DVAuslG1965 kommen. Eine visumfreie Einreise in der Absicht, länger in Deutschland zu bleiben (z.B. Familiennachzug) oder eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, ist nicht zulässig.

 

Näheres dazu im Report Nr. 19

 

 

Seit dem „Savas-Urteil“ des Europäischen Gerichtshofs im Jahre 2000  (EuGH U. v. 11.05.2000 „Savas“ Rs. C.37/98 ) war klar, dass bestimmte türkische Staatsangehörige sich wieder auf ausländerrechtliche Bestimmungen berufen können, die zum Zeitpunkt des  Inkrafttretens des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen EWG-Türkei  am  01.01.1973 gegolten haben, wenn diese Bestimmungen günstiger waren als die heutigen. In Bezug auf EU-Staaten, die erst nach dem 01.01.1973 der EU beigetreten sind, gilt in diesem Zusammenhang das Beitrittsdatum als Bezugszeitpunkt. In Folge der weiteren Rechtsprechung des EuGH (insb. EuGH  U. v. 20.09.2007 „Tum&Dari“ Rs. C-16/05 und v. 19.02.2009  „Soysal“ Rs C-228/06) ist nun für einen großen Kreis von Fachleuten klar,   dass  türkische Staatsangehörige im Rahmen der Niederlassungs- oder Dienstleistungsfreiheit visumfrei in diejenigen EU-Staaten einreisen dürfen, die die visumfreie Einreise aus diesen Gründen bereits am 01.01.1973 - oder im Fall ihres späteren EU-Beitritts am Beitrittsdatum - gewährt hatten.

 

Wir haben im Report seit dem Savas-Urteil mehrfach auf diese Rechtsentwicklung hingewiesen und nach dem Soysal-Urteil im Report Nr. 19 das Recht zur visumfreien  Einreise von Türken im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs dargestellt. Zu den begünstigten Personenkreis gehören unserer Ansicht nach als Dienstleistungsempfänger u.a. auch  Touristen.

 

Die Regierungen – jedenfalls die deutsche und die niederländische Regierung – sehen diese Rechtsfolge in dem Umfang, wie sie von vielen Fachautoren des Europarechts und von uns vertreten wird, bislang nicht als gegeben an.

 

Auf dieser Seite bieten wir weitere Informationen zu dieser Rechtsthematik an und  und wollen Sie auch über den Stand der Dinge auf dem Laufenden halten.

 

 

Wirkung in anderen EU-Staaten

 

Eine Reihe von EU-Staaten und auch die Türkei sind Vertragsstaaten des Europäischen Übereinkommens über die Regelung des Personenverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten des Europarats vom 13.12.1957 (EÜPV - siehe dazu den Link weiter unten und Westphal/Stoppa Seite 47). In diesem Übereinkommen wird untereinander die Visumfreiheit für Staatsangehörige der Vertragsstaaten  vereinbart für Reisen bis zu 3 Monaten ohne Aufnahme einer Erwerbstätigkeit. Die meisten EU-Staaten, die am 01.01. 1973 an das Übereinkommen gebunden waren, haben - wie Deutschland -  die Visumfreiheit für Türken erst 1980 suspendiert. Unter Berücksichtigung des Ratifikationsstands mit Datum 01.01.1973  und der Daten der ggf. erfolgten  Suspendierungen ergibt sich, dass türkische Staatsangehörige aufgrund der Stand-Still-Klausel wohl auch in

 

·        Belgien,

·        Frankreich

·        Italien

·        Luxemburg

·        den Niederlanden

·        Spanien

·        und Portugal

 

visumfrei einreisen dürfen. Portugal, das 1986 der EU beigetreten ist, muss Türken  die visumfreie  Einreise  gewähren, weil es das Übereinkommen (1984 ratifiziert) erst nach dem EU-Beitritt in Bezug auf die Türkei suspendiert (1991) hat. Eine verlässliche Bewertung nur anhand der völkerrechtlichen Vertragslage lässt sich ohne genaue Kenntnis des innerstaatlichen Rechts in diesen Staaten jedoch nicht vornehmen, sodass die Angaben hier unter Vorbehalt stehen.

 

Inwieweit andere EU-Staaten ohne Bindung an das EÜPV türkischen Staatsangehörigen die visumfreie Einreise am 01.01.1973 bzw. vor ihrem EU-Beitritt gewährt haben und nun an die Stand-Still-Klausel gebunden sind, konnte bislang nicht recherchiert werden.

 

Aufgrund zweier EuGH Urteile (v. 11.05.2000 „Savas“ Rs. C-37/98 und v. 20.09.2007  Tum&Dari“ Rs. C-19/05) ist jedoch bekannt, dass türkische Staatsangehörige unter bestimmten Voraussetzungen als Besucher und  „zum Zweck einer Geschäftsgründung“ ohne Visum nach Großbritannien einreisen durften.

 

 

Link zum EÜPV:

http://conventions.coe.int/Treaty/Commun/QueVoulezVous.asp?NT=025&CM=8&DF=2/23/2009&CL=GER

 

 

 

Beiträge, Texte, Urteile:

Beitrag: Visumfreie Einreise von türkischen Staatsangehörigen (Volker Westphal, v. 28.03.2009)

Beitrag: Visumbefreiung für Türken nach der Rechtslage am 01.01.1973 (Westphal/Stoppa Report Nr. 19 S. 2)

Beitrag: Richter am VG Darmstadt Klaus Dienelt

Beitrag: RA Ünal Zeran

Beitrag: Prof. Gümrükcü und Prof. Voegeli Uni Antalya und Uni Hamburg

Text: Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der EWG und der Türkei v. 12.09.1963

Text (Auszug): Zusatzprotokoll zum Assoziierungsabkommen EWG-Türkei  v. 23. 11.1970

Text: Ausländergesetz von 1965 (Auszug)  Stand 01.01.1973  

Text: Durchführungsverordnung zum Ausländergesetz von 1965 (Auszug) Stand 01.01.1973 

Text: Sichtvermerksabkommen Deutschland-Türkei von 1953

EuGH U. v. 11.05.2000 „Savas“ Rs. C-37/98

EuGH  U. v. 20.09.2007 „Tum&Dari“ Rs. C-16/05

EuGH U. v. 19.02.2009  „Soysal“ Rs C-228/06

EuGH U. v. 21.10.2003 „Abatay“ Rs.  C-317/01

BVerwG U. v. 26.02.2002 1 C 21/00 (Begriffe Niederlassungs-/ Dienstleistungsfreiheit gem. Art. 41 I ZP)

VG Berlin Beschluss v. 25.02.2009 zur Einreise von türkischen Touristen und Besuchern

Kommentar zur „Soysal“-Entscheidung von Prof. Kees Groenendijk (Niederlande)

VG Berlin B. v. 22.04.2009 Keine visumfreie Einreise bei beabsichtigter Erwerbstätigkeit

VG Frankfurt  B. v. 22.05.2009 Visumfreiheit für Touristen /Abgrenzung zu Dauer- und Besuchsaufenthalten 

BVewG und OVG Bremen: Keine Visumfreiheit bei beabsichtigtem Familiennachzug

Amtsgericht Erding U. 29.04.2009: Visumfreiheit für türkischen Geschäftsmann bejaht – Freispruch im Strafverfahren

Amtsgericht Cham 29.07.2009 : Visumfreiheit für türkischen Autokäufer bejaht- Ablehnung einer Zurückschiebungshaft

                  VG Berlin U. v. 26.06.2009 Keine Visumfreiheit im Zusammenhang mit Familiennachzug

 

Zudem empfehlen wir als weitere Quellen:

Richterin am VG Regensburg Mielitz, NVwZ 2009, 276

RA Dr. Rolf Gutmann ZAR 2008, 5

Vors. Richter am VGH Mannheim Funke-Kaiser in GK-AuslR § 3 AuslG1990 Stand 3/ 2002 Rn 40.1 ff

Richter am VG Darmstadt Dienelt, InfAuslR 2001, 473

Volker Westphal InfAuslR 2009, 133

Prof. Kay Hailbronner, NvWZ 2009, 760

 

Politische Aktivitäten:

Anfrage der EP Abgeordneten Cem Özdemir und Joost Lagendijk an EU Kommission 27.03.2009

Parlamentarischer Staatssekretär Peter Altmaier (BMI) im Bundestag am 25.03.2009

Antrag der BT-Fraktion  Die Grünen  zur visumfreien Einreise von Türken

Außenmister der NL Maxime Verhagen in der niederländischen Zeitung De Telegraaf am 10.03.2009

 

                  Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken BT-Drucksache 16/12562

 

                  Antwort auf erneute kleine Anfrage der Linken - BT-Drucksache 16/13327

            

                  BT-Innenausschuss lehnt  Antrag der Grünen  zur visumfreien Einreise von Türken ab (06-2009)

 

 

 

 

 

Ein kurzer Blick auf wichtige Quellen

 

 

EuGH U. v. 11.05.2000 „Savas“ Rs. C.37/98

 

Kernaussage des EuGH: Art.  41 I des ZP hat unmittelbare Wirkung in den Mitgliedstaaten.  Er ist als solcher nicht geeignet, einem türkischen Staatsangehörigen ein Niederlassungsrecht und damit verbunden ein Recht auf Aufenthalt in dem Mitgliedstaat, in dem er sich unter Verstoß gegen das nationale Einwanderungsrecht aufgehalten und als Selbständiger berufliche Tätigkeiten ausgeübt hat, zu verleihen. Dagegen verbietet Art. 41 I des ZP die Einführung neuer nationaler Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des Aufenthaltsrechts der türkischen Staatsangehörigen ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Protokolls im Aufnahmemitgliedstaat. Es ist Sache des nationalen Gerichts, das innerstaatliche Recht auszulegen, um festzustellen, ob die auf den Kläger des Ausgangsverfahrens angewandte Regelung ungünstiger ist als diejenige, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Zusatzprotokolls galt.

 

Volltext hier

 
EuGH U. v. 20.09.2007 „Tum&Dari“ Rs. C-16/05

 

Sachverhalt: Die Türken Tum und Dari reisten von anderen EU-Staaten aus nach GB und beantragten dort Asyl. Nach Ablehnung ihrer Asylanträge sollten sie ausgewiesen werden, beantragten aber, sich zum Zweck der Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit in GB niederzulassen zu dürfen. Dies wurde u.a abgelehnt, weil sie ohne Visum eingereist waren. Die Einhaltung der Visumpflicht wäre aber für Türken Voraussetzung für eine Erlaubnis zur Niederlassung. Tum und Dari beriefen sich aber auf Art. 41 I ZP, nach dem nationale Einwanderungsregelungen anzuwenden sind, die am Tag des Inkrafttretens des ZP in GB am 01.01. 1973 galten. Damals konnten Türken zum Zweck der Niederlassung ohne Visum einreisen. Der EuGH musste hier auf Vorlage des House of Lords insbesondere entscheiden, ob die „Stand-Still-Klausel“ gem. Art 41 I ZP sich auch auf die Einreisebestimmungen bezieht.

 

Kernaussage des EuGH: Die „Stand-Still-Klausel“ gem. Art. 41 I ZP verbietet es einem EU-Staat, ab dem Zeitpunkt, ab dem für diesen EU-Staat das ZP verbindlich ist, neue Beschränkungen der Ausübung der Niederlassungsfreiheit einschließlich solcher einzuführen, die die materiell- und/oder verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die erstmalige Aufnahme türkischer Staatsangehöriger im Hoheitsgebiet dieses Staates betreffen, die sich dort zur Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit niederlassen wollen.

 

Anmerkung: Damit hat der EuGH klargestellt, dass das Verbot der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs im Sinne des Art. 41 I ZP sich auch auf die Einreisebestimmungen einschließlich der Visumvorschriften bezieht.

 

Volltext hier

 

 

EuGH v. 19.02.2009SoysalRs C-228/06

 

Ausgangsverfahren:Auf Vorlage des OVG Berlin-Brandenburg sollte der EuGH klären: Ist Art. 41 I ZP so auszulegen ist, dass eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darin zu sehen ist, dass ein türkische Staatsangehörige wie die Kläger Soysal und Sahin, die für ein türkisches Unternehmen im grenzüberschreitenden Verkehr auf in Deutschland zugelassene LKWs als Fahrer tätig sind, für die Einreise nach Deutschland aufgrund der §§ 4 I, 6 AufenthG und Art. 1 I VO 539/2001/EG im Besitz eines Schengen-Visums sein müssen, während sie im Zeitpunkt des Inkrafttretens des ZP sichtvermerksfrei nach Deutschland einreisen durften und wen ja, ob die Kläger für die Einreise nach Deutschland dann kein Sichtvermerk benötigen?

 

Kernaussage des EuGH: Türkische Fernfahrer wie die Kläger können sich wirksam auf Art. 41 I des ZP berufen, da der Dienstleistungserbringer ohne Beschäftigte seine Dienstleistungen nicht erbringen könnte. 41 I des ZP ist dahin auszulegen ist, dass er es ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Protokolls verbietet, ein Visum für die Einreise türkischer Staatsangehöriger wie der Kläger des Ausgangsverfahrens in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats zu verlangen, die dort Dienstleistungen für ein in der Türkei ansässiges Unternehmen erbringen wollen, wenn ein solches Visum zu jenem Zeitpunkt nicht verlangt wurde. Die VO 539/2001/EG steht dem nicht entgegen, denn die von der EG geschlossenen völkerrechtlichen Übereinkommen haben Vorrang vor den Rechtsakten des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts. Art. 

 

Volltext hier

 

Ausländergesetz v. 28.04.1965

(Auszug Stand 01.01.1973)

 

§ 2 Aufenthaltserlaubnis  

(1) Ausländer, die in den Geltungsbereich dieses Gesetzes einreisen und sich darin aufhalten wollen, bedürfen einer Aufenthaltserlaubnis. …

(2) Keiner Aufenthaltserlaubnis bedürfen Ausländer, die

1.     das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,

3.     nach zwischenstaatlichen Vereinbarungen hiervon befreit sind.

(3) Der Bundesminister des Innern kann zur Erleichterung des Aufenthalts von Ausländern durch Rechtsverordnung bestimmen, daß auch andere Ausländer keiner Aufenthaltserlaubnis bedürfen.

 

§ 5 Aufenthaltserlaubnis  

(1) Die Aufenthaltserlaubnis (§ 2 Abs. 1) kann vor der Einreise oder nach der Einreise erteilt werden.

(2) Der Bundesminister des Innern bestimmt, wenn die Belange der Bundesrepublik Deutschland es erfordern, durch Rechtsverordnung, daß die Aufenthaltserlaubnis vor der Einreise oder vor der Einreise in der Form des Sichtvermerks eingeholt werden muß.

 

Wirkung in anderen EU-Staaten (von Westphal/Stoppa)

 

Eine Reihe von EU-Staaten und auch die Türkei sind Vertragsstaaten des Europäischen Übereinkommens über die Regelung des Personenverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten des Europarats vom 13.12.1957 (EÜPV - siehe dazu auch Westphal/Stoppa Ausländerrecht für die Polizei 3. Aufl. Seite 47). In diesem Übereinkommen wird untereinander die Visumfreiheit für Staatsangehörige der Vertragsstaaten  vereinbart für Reisen bis zu 3 Monaten ohne Aufnahme einer Erwerbstätigkeit. Die meisten EU-Staaten, die am 01.01. 1973 an das Übereinkommen gebunden waren, haben - wie Deutschland -  die Visumfreiheit für Türken erst 1980 suspendiert. Unter Berücksichtigung des Ratifikationsstands mit Datum 01.01.1973  und der Daten der ggf. erfolgten  Suspendierungen ergibt sich, dass türkische Staatsangehörige aufgrund der Stand-Still-Klausel wohl auch in

Belgien,

Frankreich

Italien

Luxemburg

den Niederlanden

Spanien

und Portugal

 

visumfrei einreisen dürfen. Portugal, das 1986 der EU beigetreten ist, muss Türken  die visumfreie  Einreise  gewähren, weil es das Übereinkommen (1984 ratifiziert) erst nach dem EU-Beitritt in Bezug auf die Türkei suspendiert (1991) hat. Eine verlässliche Bewertung nur anhand der völkerrechtlichen Vertragslage lässt sich ohne genaue Kenntnis des innerstaatlichen Rechts in diesen Staaten jedoch nicht vornehmen, sodass die Angaben hier unter Vorbehalt stehen.

 

Inwieweit andere EU-Staaten ohne Bindung an das EÜPV türkischen Staatsangehörigen die visumfreie Einreise am 01.01.1973 bzw. vor ihrem EU-Beitritt gewährt haben und nun an die Stand-Still-Klausel gebunden sind, konnte bislang nicht recherchiert werden.

 

Aufgrund zweier EuGH Urteile (v. 11.05.2000 „Savas“ Rs. C-37/98 und v. 20.09.2007  „Tum&Dari“ Rs. C-19/05) ist jedoch bekannt, dass türkische Staatsangehörige unter bestimmten Voraussetzungen als Besucher und  „zum Zweck einer Geschäftsgründung“ ohne Visum nach Großbritannien einreisen durften.

 

Verordnung zur Durchführung des Ausländergesetzes  v. 10.09.1965  (Auszug Stand   01.01.1973 - zuvor zul. geä. am 13.09.1972)

 

§ 1 Befreiung vom Erfordernis der Aufenthaltserlaubnis

(2) Staatsangehörige der in der Anlage zu dieser Verordnung aufgeführten Staaten, die Inhaber von Nationalpässen sind, bedürfen keiner Aufenthaltserlaubnis, wenn sie

1. sich nicht länger als drei Monate im Geltungsbereich des Ausländergesetzes aufhalten und keine Erwerbstätigkeit ausüben wollen;

2. sich im Dienst eines nicht im Geltungsbereich des Ausländergesetzes ansässigen Arbeitgebers zu einer ihrer Natur nach vorübergehenden Dienstleistung als Arbeitnehmer im Geltungsbereich des Ausländergesetzes aufhalten, sofern die Dauer des Aufenthalts zwei Monate nicht übersteigt. Die Befreiung gilt nicht für Ausländer, die im Geltungsbereich des Ausländergesetzes ein Reisegewerbe (§ 55 der Gewerbeordnung) ausüben wollen;

 

§ 5 Aufenthaltserlaubnis als Sichtvermerk  

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist vor der Einreise in der Form des Sichtvermerks einzuholen von

1. Ausländern, die im Geltungsbereich des Ausländergesetzes eine Erwerbstätigkeit auszuüben wollen;

2. Staatsangehörigen eines Staates, der in der Anlage zu dieser Verordnung nicht aufgeführt ist;

 

Anlage zu § 1 Abs. 2 bis 4, § 4 Abs. 1 Nr. 5 und § 5 Abs. 1 Nr. 2 und 4 Buchstaben b und c  

 

(in dieser Anlage war bis zum 05.10.1980 die Türkei aufgeführt)

 

Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei v. 12.09.1963 (Auszug – Hervorhebungen nicht im Original)

 

Aus den Erwägungsgründen:

In dem festen Willen , immer engere Bande zwischen dem türkischen Volk und den in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vereinten Völkern zu schaffen,

In der Erkenntnis, daß die Hilfe, welche die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft dem türkischen Volk bei seinem Bemühen um die Besserung seiner Lebenshaltung zuteil werden läßt, später den Beitritt der Türkei zur Gemeinschaft erleichtern wird,

Artikel 1

Durch dieses Abkommen wird eine Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei begründet.

 

Artikel 2

(1) Ziel des Abkommens ist es, eine beständige und ausgewogene Verstärkung der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Vertragsparteien unter voller Berücksichtigung der Notwendigkeit zu fördern, daß hierbei der beschleunigte Aufbau der türkischen Wirtschaft sowie die Hebung des Beschäftigungsstandes und der Lebensbedingungen des türkischen Volkes gewährleistet werden.

(2) Zur Verwirklichung der in Absatz (1) genannten Ziele ist die schrittweise Errichtung einer Zollunion nach Maßgabe der Artikel 3, 4 und 5 vorgesehen….

 

Artikel 12

Die Vertragsparteien vereinbaren, sich von den Artikeln 48, 49 und 50 des Vertrages zur Gründung der Gemeinschaft leiten zu lassen, um untereinander die Freizügigkeit der Arbeitnehmer schrittweise herzustellen.

 

Artikel 13

Die Vertragsparteien vereinbaren, sich von den Artikeln 52 bis 56 und 58 des Vertrages zur Gründung der Gemeinschaft leiten zu lassen, um untereinander die Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit aufzuheben.

 

Artikel 14

Die Vertragsparteien vereinbaren, sich von den Artikeln 55, 56 und 58 bis 65 des Vertrages zur Gründung der Gemeinschaft leiten zu lassen, um untereinander die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs aufzuheben.

 

Artikel 28

Sobald das Funktionieren des Abkommens es in Aussicht zu nehmen gestattet, daß die Türkei die Verpflichtungen aus dem Vertrag zur Gründung der Gemeinschaft vollständig übernimmt, werden die Vertragsparteien die Möglichkeit eines Beitritts der Türkei zur Gemeinschaft prüfen.

 

Volltext: hier

 

Zusatzprotokoll zum Assoziierungsabkommen EWG-Türkei

v. 23. 11.1970 (in Kraft am 01.01.1973 –Auszug, Hervorhebungen  nicht im Original)

Art. 41

(1) Die Vertragsparteien werden untereinander keine neuen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs einführen.

(2) Der Assoziationsrat setzt nach den Grundsätzen der Artikel 13 und 14 des Assoziierungsabkommens die Zeitfolge und die Einzelheiten fest, nach denen die Vertragsparteien die Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs untereinander schrittweise beseitigen.

 

Der Assoziationsrat berücksichtigt bei der Festsetzung der Zeitfolge und der Einzelheiten für die verschiedenen Arten von Tätigkeiten die entsprechenden Bestimmungen, welche die Gemeinschaft auf diesen Gebieten bereits erlassen hat, sowie die besondere wirtschaftliche und soziale Lage der Türkei. Die Tätigkeiten, die in besonderem Maße zur Entwicklung der Erzeugung und des Handelsverkehrs beitragen, werden vorrangig behandelt.

 

Erweiterter Auszug hier