Ausländerrecht für die
Polizei
von
Volker Westphal und Edgar Stoppa Informationen
zum internationalen, europäischen und
nationalen Ausländerrecht seit 02.09.2000 im Internet |
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EuGH „Soysal“: Visumfreiheit für
türkische Staatsangehörige
Mit
Urteil vom 19.02.2009 „Soysal“ Rs. C-228/06 hat
der EuGH entschieden: Art. 41 I des
Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen EWG-Türkei ist dahin auszulegen,
dass er es ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Protokolls zum 01.01.1973 verbietet, ein Visum für
die Einreise türkischer
Staatsangehöriger in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats zu verlangen,
die dort Dienstleistungen für ein in der Türkei ansässiges Unternehmen
erbringen wollen, wenn ein solches Visum zu jenem Zeitpunkt nicht verlangt
wurde. Türken konnten am 01.01.1973 im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit visumfrei
nach Deutschland reisen. Diese Rechtslage gilt fort. Das Urteil erging im
Fall von türkischen LKW-Fahrern, die für ein türkisches Unternehmen nach
Deutschland fahren wollten. Es betrifft aber generell das Verhältnis von Dienstleistungsfreiheit,
Stand-Still-Klausel und Visumpflicht und gilt daher für andere Gruppen von
Dienstleistungserbringern (z.B. Geschäftsleute) und Dienstleistungsempfängern
(z.B. Touristen). Damit ist klargestellt, dass diese türkischen
Staatsangehörigen ab sofort (wieder) wie „Positivstaater“
reisen können. Türkische Staatsangehörige dürfen unter Berücksichtigung der
Rechtslage am 1.1.1973 ohne Visum nach Deutschland einreisen, wenn sie
entsprechend § 1 Abs. 2 Nr.1 DVAuslG1965 einen Aufenthalt von höchstens
drei Monaten planen und keine
Erwerbstätigkeit aufnehmen wollen
oder für höchstens 2 Monate als Geschäftsreisende nach Maßgabe des § 1
Abs. 2 Nr. 2 DVAuslG1965 kommen. Eine visumfreie Einreise in der Absicht, länger in Deutschland zu bleiben
(z.B. Familiennachzug) oder eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, ist nicht
zulässig. Seit
dem „Savas-Urteil“ des Europäischen Gerichtshofs im Jahre 2000 (EuGH U.
v. 11.05.2000 „Savas“ Rs. C.37/98 ) war klar, dass bestimmte türkische
Staatsangehörige sich wieder auf ausländerrechtliche Bestimmungen berufen
können, die zum Zeitpunkt des
Inkrafttretens des Zusatzprotokolls zum
Assoziierungsabkommen EWG-Türkei am 01.01.1973
gegolten haben, wenn diese Bestimmungen günstiger waren als die heutigen.
In Bezug auf EU-Staaten, die erst nach dem 01.01.1973 der EU beigetreten sind,
gilt in diesem Zusammenhang das Beitrittsdatum als Bezugszeitpunkt. In Folge
der weiteren Rechtsprechung des EuGH (insb. EuGH U. v. 20.09.2007
„Tum&Dari“ Rs. C-16/05 und v. 19.02.2009
„Soysal“ Rs C-228/06) ist nun für einen großen
Kreis von Fachleuten klar, dass türkische
Staatsangehörige im Rahmen der Niederlassungs- oder Dienstleistungsfreiheit visumfrei
in diejenigen EU-Staaten einreisen dürfen, die die visumfreie Einreise
aus diesen Gründen bereits am 01.01.1973 - oder im Fall ihres späteren EU-Beitritts
am Beitrittsdatum - gewährt hatten. Wir haben im Report seit dem Savas-Urteil
mehrfach auf diese Rechtsentwicklung hingewiesen und nach dem Soysal-Urteil
im Report Nr. 19 das Recht zur visumfreien
Einreise von Türken im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs
dargestellt. Zu den begünstigten Personenkreis
gehören unserer Ansicht nach als Dienstleistungsempfänger u.a. auch Touristen. Die Regierungen – jedenfalls die deutsche und die
niederländische Regierung – sehen diese Rechtsfolge in dem Umfang, wie sie
von vielen Fachautoren des Europarechts und von uns vertreten wird, bislang
nicht als gegeben an. Auf dieser Seite bieten wir weitere
Informationen zu dieser Rechtsthematik an und und wollen Sie auch über den Stand der
Dinge auf dem Laufenden halten. Wirkung in anderen EU-Staaten Eine
Reihe von EU-Staaten und auch die Türkei sind Vertragsstaaten des Europäischen Übereinkommens über die
Regelung des Personenverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten des Europarats vom 13.12.1957
(EÜPV - siehe dazu den Link weiter unten und
Westphal/Stoppa Seite 47). In diesem Übereinkommen
wird untereinander die Visumfreiheit für Staatsangehörige der
Vertragsstaaten vereinbart für Reisen
bis zu 3 Monaten ohne Aufnahme einer Erwerbstätigkeit. Die meisten
EU-Staaten, die am 01.01. 1973 an das Übereinkommen gebunden waren, haben -
wie Deutschland - die Visumfreiheit
für Türken erst 1980 suspendiert. Unter Berücksichtigung des
Ratifikationsstands mit Datum 01.01.1973
und der Daten der ggf. erfolgten
Suspendierungen ergibt sich, dass türkische Staatsangehörige aufgrund
der Stand-Still-Klausel wohl auch in
·
Belgien,
·
Frankreich
·
Italien
·
Luxemburg
·
den Niederlanden
·
Spanien
·
und
Portugal
visumfrei
einreisen dürfen. Portugal, das 1986 der EU beigetreten ist, muss Türken die visumfreie Einreise
gewähren, weil es das Übereinkommen (1984 ratifiziert) erst nach dem
EU-Beitritt in Bezug auf die Türkei suspendiert (1991) hat. Eine verlässliche Bewertung nur anhand der völkerrechtlichen Vertragslage lässt sich ohne
genaue Kenntnis des innerstaatlichen Rechts in diesen Staaten jedoch nicht vornehmen, sodass die Angaben hier unter Vorbehalt stehen.
Inwieweit andere
EU-Staaten ohne Bindung an das EÜPV türkischen Staatsangehörigen die
visumfreie Einreise am 01.01.1973 bzw. vor ihrem EU-Beitritt gewährt haben
und nun an die Stand-Still-Klausel gebunden sind, konnte bislang nicht
recherchiert werden. Aufgrund zweier EuGH Urteile (v.
11.05.2000 „Savas“ Rs. C-37/98 und v. 20.09.2007 „Tum&Dari“
Rs. C-19/05) ist jedoch bekannt, dass türkische Staatsangehörige unter bestimmten
Voraussetzungen als Besucher und „zum
Zweck einer Geschäftsgründung“ ohne Visum nach Großbritannien einreisen durften. Link zum EÜPV: http://conventions.coe.int/Treaty/Commun/QueVoulezVous.asp?NT=025&CM=8&DF=2/23/2009&CL=GER |
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Beiträge,
Texte, Urteile: Beitrag:
Visumfreie Einreise von türkischen
Staatsangehörigen (Volker Westphal, v. 28.03.2009) Beitrag:
Visumbefreiung für Türken nach der Rechtslage am 01.01.1973 (Westphal/Stoppa Report Nr. 19 S. 2) Beitrag: Richter am VG Darmstadt Klaus Dienelt Beitrag: Prof. Gümrükcü und Prof. Voegeli Uni Antalya und Uni Hamburg Text:
Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der EWG und der Türkei v.
12.09.1963 Text (Auszug): Zusatzprotokoll zum
Assoziierungsabkommen EWG-Türkei v.
23. 11.1970 Text: Ausländergesetz von 1965 (Auszug) Stand 01.01.1973 Text: Durchführungsverordnung zum
Ausländergesetz von 1965 (Auszug) Stand 01.01.1973
Text:
Sichtvermerksabkommen Deutschland-Türkei von 1953 EuGH U. v. 11.05.2000 „Savas“ Rs. C-37/98 EuGH U. v. 20.09.2007 „Tum&Dari“ Rs. C-16/05 EuGH U. v. 19.02.2009
„Soysal“ Rs C-228/06 EuGH U. v. 21.10.2003 „Abatay“ Rs. C-317/01 VG
Berlin Beschluss v. 25.02.2009 zur Einreise von türkischen Touristen und
Besuchern Kommentar zur
„Soysal“-Entscheidung von Prof. Kees Groenendijk (Niederlande) VG
Berlin B. v. 22.04.2009 Keine visumfreie Einreise bei beabsichtigter
Erwerbstätigkeit BVewG und OVG Bremen: Keine Visumfreiheit bei
beabsichtigtem Familiennachzug VG
Berlin U. v. 26.06.2009 Keine
Visumfreiheit im Zusammenhang mit Familiennachzug Zudem empfehlen wir als weitere
Quellen: Richterin am VG Regensburg Mielitz, NVwZ 2009, 276 RA Dr. Rolf Gutmann ZAR 2008, 5 Vors. Richter am VGH Mannheim
Funke-Kaiser in GK-AuslR § 3 AuslG1990
Stand 3/ 2002 Rn 40.1 ff Richter am VG Darmstadt Dienelt, InfAuslR 2001, 473 Volker Westphal InfAuslR 2009, 133 Prof. Kay Hailbronner, NvWZ 2009, 760 Politische
Aktivitäten: Anfrage
der EP Abgeordneten Cem Özdemir und Joost Lagendijk an EU Kommission
27.03.2009 Parlamentarischer
Staatssekretär Peter Altmaier (BMI) im Bundestag am 25.03.2009 Antrag der
BT-Fraktion Die Grünen zur visumfreien Einreise von Türken Außenmister
der NL Maxime Verhagen in der
niederländischen Zeitung De Telegraaf am 10.03.2009 Antwort
der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken BT-Drucksache 16/12562 Antwort
auf erneute kleine Anfrage der Linken - BT-Drucksache 16/13327 BT-Innenausschuss
lehnt Antrag der Grünen zur visumfreien Einreise von Türken ab
(06-2009) |
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Ein kurzer Blick auf wichtige Quellen |
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EuGH U. v. 11.05.2000 „Savas“
Rs. C.37/98 Kernaussage des EuGH: Art. 41 I des ZP hat unmittelbare Wirkung in den
Mitgliedstaaten. Er ist als solcher
nicht geeignet, einem türkischen Staatsangehörigen ein Niederlassungsrecht
und damit verbunden ein Recht auf Aufenthalt in dem Mitgliedstaat, in dem er
sich unter Verstoß gegen das nationale Einwanderungsrecht aufgehalten und als
Selbständiger berufliche Tätigkeiten ausgeübt hat, zu verleihen. Dagegen
verbietet Art. 41 I des ZP die Einführung neuer nationaler Beschränkungen der
Niederlassungsfreiheit und des Aufenthaltsrechts der türkischen Staatsangehörigen
ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Protokolls im Aufnahmemitgliedstaat.
Es ist Sache des nationalen Gerichts, das innerstaatliche Recht auszulegen,
um festzustellen, ob die auf den Kläger des Ausgangsverfahrens angewandte Regelung
ungünstiger ist als diejenige, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Zusatzprotokolls
galt. |
EuGH
U. v. 20.09.2007 „Tum&Dari“ Rs. C-16/05
Sachverhalt: Die Türken Tum und Dari reisten von anderen EU-Staaten aus nach GB
und beantragten dort Asyl. Nach Ablehnung ihrer Asylanträge sollten sie ausgewiesen
werden, beantragten aber, sich zum Zweck der Aufnahme einer selbständigen
Erwerbstätigkeit in GB niederzulassen zu dürfen. Dies wurde u.a abgelehnt,
weil sie ohne Visum eingereist waren. Die Einhaltung der Visumpflicht wäre
aber für Türken Voraussetzung für eine Erlaubnis zur Niederlassung. Tum und
Dari beriefen sich aber auf Art. 41 I ZP, nach dem nationale
Einwanderungsregelungen anzuwenden sind, die am Tag des Inkrafttretens des ZP
in GB am 01.01. 1973 galten. Damals konnten Türken zum Zweck der
Niederlassung ohne Visum einreisen. Der EuGH musste hier auf Vorlage des
House of Lords insbesondere entscheiden, ob die „Stand-Still-Klausel“ gem.
Art 41 I ZP sich auch auf die Einreisebestimmungen bezieht. Kernaussage
des EuGH: Die „Stand-Still-Klausel“ gem. Art. 41 I ZP verbietet es einem
EU-Staat, ab dem Zeitpunkt, ab dem für diesen EU-Staat das ZP verbindlich
ist, neue Beschränkungen der Ausübung
der Niederlassungsfreiheit einschließlich solcher einzuführen, die die
materiell- und/oder verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die erstmalige
Aufnahme türkischer Staatsangehöriger im Hoheitsgebiet dieses Staates
betreffen, die sich dort zur Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit
niederlassen wollen. Anmerkung: Damit hat der EuGH
klargestellt, dass das Verbot der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und
des freien Dienstleistungsverkehrs im Sinne des Art. 41 I ZP sich auch auf
die Einreisebestimmungen einschließlich der Visumvorschriften bezieht. |
EuGH v. 19.02.2009 „Soysal“ Rs C-228/06 Ausgangsverfahren:Auf Vorlage des OVG Berlin-Brandenburg sollte der EuGH klären: Ist
Art. 41 I ZP so auszulegen ist, dass eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs
darin zu sehen ist, dass ein türkische Staatsangehörige wie die Kläger Soysal
und Sahin, die für ein türkisches Unternehmen im grenzüberschreitenden
Verkehr auf in Deutschland zugelassene LKWs als Fahrer tätig sind, für die
Einreise nach Deutschland aufgrund der §§ 4 I, 6 AufenthG und Art. 1 I VO
539/2001/EG im Besitz eines Schengen-Visums sein müssen, während sie im Zeitpunkt
des Inkrafttretens des ZP sichtvermerksfrei nach Deutschland einreisen durften
und wen ja, ob die Kläger für die Einreise nach Deutschland dann kein Sichtvermerk
benötigen? Kernaussage
des EuGH: Türkische Fernfahrer wie die Kläger können sich wirksam auf Art.
41 I des ZP berufen, da der Dienstleistungserbringer ohne Beschäftigte seine
Dienstleistungen nicht erbringen könnte. 41 I des ZP ist dahin auszulegen
ist, dass er es ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Protokolls
verbietet, ein Visum für die Einreise türkischer Staatsangehöriger wie der
Kläger des Ausgangsverfahrens in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats zu
verlangen, die dort Dienstleistungen für ein in der Türkei ansässiges
Unternehmen erbringen wollen, wenn ein solches Visum zu jenem Zeitpunkt nicht
verlangt wurde. Die VO 539/2001/EG steht dem nicht entgegen, denn die von der
EG geschlossenen völkerrechtlichen Übereinkommen haben Vorrang vor den
Rechtsakten des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts. Art. |
Ausländergesetz v.
28.04.1965 (Auszug
Stand 01.01.1973) § 2 Aufenthaltserlaubnis (1) Ausländer, die in den Geltungsbereich dieses Gesetzes
einreisen und sich darin aufhalten wollen, bedürfen einer Aufenthaltserlaubnis.
… (2) Keiner Aufenthaltserlaubnis bedürfen Ausländer, die 1. das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, … 3. nach zwischenstaatlichen Vereinbarungen hiervon befreit sind. … (3) Der Bundesminister des Innern kann zur Erleichterung des
Aufenthalts von Ausländern durch Rechtsverordnung bestimmen, daß auch andere
Ausländer keiner Aufenthaltserlaubnis bedürfen. § 5 Aufenthaltserlaubnis
(1) Die Aufenthaltserlaubnis (§ 2 Abs. 1) kann vor der Einreise
oder nach der Einreise erteilt werden. (2) Der Bundesminister des
Innern bestimmt, wenn die Belange der Bundesrepublik Deutschland es
erfordern, durch Rechtsverordnung, daß die Aufenthaltserlaubnis vor der
Einreise oder vor der Einreise in der Form des Sichtvermerks eingeholt werden
muß. |
Wirkung in anderen EU-Staaten (von
Westphal/Stoppa) Eine
Reihe von EU-Staaten und auch die Türkei sind Vertragsstaaten des Europäischen
Übereinkommens über die Regelung des Personenverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten des Europarats vom 13.12.1957 (EÜPV - siehe dazu auch
Westphal/Stoppa Ausländerrecht für die Polizei 3. Aufl. Seite 47). In diesem
Übereinkommen wird untereinander die Visumfreiheit für Staatsangehörige der
Vertragsstaaten vereinbart für Reisen
bis zu 3 Monaten ohne Aufnahme einer Erwerbstätigkeit. Die meisten
EU-Staaten, die am 01.01. 1973 an das Übereinkommen gebunden waren, haben -
wie Deutschland - die Visumfreiheit
für Türken erst 1980 suspendiert. Unter Berücksichtigung des Ratifikationsstands
mit Datum 01.01.1973 und der Daten der
ggf. erfolgten Suspendierungen ergibt
sich, dass türkische Staatsangehörige aufgrund der Stand-Still-Klausel wohl auch in Belgien, Frankreich Italien Luxemburg den Niederlanden Spanien und Portugal visumfrei
einreisen dürfen. Portugal, das 1986 der EU beigetreten ist, muss Türken die visumfreie Einreise
gewähren, weil es das Übereinkommen (1984 ratifiziert) erst nach dem
EU-Beitritt in Bezug auf die Türkei suspendiert (1991) hat. Eine verlässliche
Bewertung nur anhand der völkerrechtlichen
Vertragslage lässt sich ohne genaue
Kenntnis des innerstaatlichen Rechts in diesen Staaten jedoch nicht vornehmen,
sodass die Angaben hier unter
Vorbehalt stehen. Inwieweit
andere EU-Staaten ohne Bindung an das EÜPV türkischen Staatsangehörigen die
visumfreie Einreise am 01.01.1973 bzw. vor ihrem EU-Beitritt gewährt haben
und nun an die Stand-Still-Klausel gebunden sind, konnte bislang nicht recherchiert
werden. Aufgrund zweier EuGH Urteile
(v. 11.05.2000 „Savas“ Rs. C-37/98 und v. 20.09.2007 „Tum&Dari“ Rs. C-19/05) ist jedoch
bekannt, dass türkische Staatsangehörige unter bestimmten Voraussetzungen als
Besucher und „zum Zweck einer
Geschäftsgründung“ ohne Visum nach Großbritannien einreisen durften. |
Verordnung zur Durchführung des Ausländergesetzes
v. 10.09.1965 (Auszug Stand 01.01.1973 - zuvor zul. geä. am 13.09.1972) § 1
Befreiung vom Erfordernis der Aufenthaltserlaubnis … (2) Staatsangehörige der in der Anlage zu dieser Verordnung aufgeführten Staaten, die Inhaber von Nationalpässen sind, bedürfen keiner Aufenthaltserlaubnis, wenn sie 1. sich
nicht länger als drei Monate im Geltungsbereich des Ausländergesetzes
aufhalten und keine Erwerbstätigkeit ausüben wollen; 2. sich
im Dienst eines nicht im Geltungsbereich des Ausländergesetzes ansässigen Arbeitgebers
zu einer ihrer Natur nach vorübergehenden Dienstleistung als Arbeitnehmer
im Geltungsbereich des Ausländergesetzes aufhalten, sofern die Dauer des
Aufenthalts zwei Monate nicht übersteigt. Die Befreiung gilt nicht für
Ausländer, die im Geltungsbereich des Ausländergesetzes ein Reisegewerbe (§
55 der Gewerbeordnung) ausüben wollen; … § 5
Aufenthaltserlaubnis als Sichtvermerk (1) Die
Aufenthaltserlaubnis ist vor der Einreise in der Form des Sichtvermerks
einzuholen von 1.
Ausländern, die im Geltungsbereich des Ausländergesetzes eine
Erwerbstätigkeit auszuüben wollen; 2.
Staatsangehörigen eines Staates, der in der Anlage zu dieser Verordnung nicht
aufgeführt ist; … Anlage zu § 1
Abs. 2 bis 4, § 4 Abs. 1 Nr. 5 und § 5 Abs. 1 Nr. 2 und 4 Buchstaben b und c
(in dieser Anlage war bis zum 05.10.1980 die Türkei aufgeführt) |
Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen
Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei v. 12.09.1963 (Auszug –
Hervorhebungen nicht im Original) Aus den Erwägungsgründen: In dem festen Willen , immer engere
Bande zwischen dem türkischen Volk und den in der Europäischen
Wirtschaftsgemeinschaft vereinten Völkern zu schaffen, … In der Erkenntnis, daß die Hilfe,
welche die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft dem türkischen Volk bei seinem
Bemühen um die Besserung seiner Lebenshaltung zuteil werden läßt, später
den Beitritt der Türkei zur Gemeinschaft erleichtern wird, … Artikel 1 Durch dieses Abkommen wird eine Assoziation zwischen der Europäischen
Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei begründet. Artikel 2 (1) Ziel des Abkommens ist es, eine
beständige und ausgewogene Verstärkung der Handels- und
Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Vertragsparteien unter voller
Berücksichtigung der Notwendigkeit zu fördern, daß hierbei der beschleunigte
Aufbau der türkischen Wirtschaft sowie die Hebung des Beschäftigungsstandes
und der Lebensbedingungen des türkischen Volkes gewährleistet werden. (2) Zur
Verwirklichung der in Absatz (1) genannten Ziele ist die schrittweise
Errichtung einer Zollunion nach Maßgabe der Artikel 3, 4 und 5 vorgesehen…. Artikel 12 Die Vertragsparteien vereinbaren, sich
von den Artikeln 48, 49 und 50 des Vertrages zur Gründung der Gemeinschaft
leiten zu lassen, um untereinander die Freizügigkeit der Arbeitnehmer
schrittweise herzustellen. Artikel 13 Die Vertragsparteien vereinbaren, sich
von den Artikeln 52 bis 56 und 58 des Vertrages zur Gründung der Gemeinschaft
leiten zu lassen, um untereinander die Beschränkungen der
Niederlassungsfreiheit aufzuheben. Artikel 14 Die
Vertragsparteien vereinbaren, sich von den Artikeln 55, 56 und 58 bis 65 des
Vertrages zur Gründung der Gemeinschaft leiten zu lassen, um
untereinander die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs
aufzuheben. Artikel 28 Sobald
das Funktionieren des Abkommens es in Aussicht zu nehmen gestattet, daß die
Türkei die Verpflichtungen aus dem Vertrag zur Gründung der Gemeinschaft
vollständig übernimmt, werden die Vertragsparteien die Möglichkeit eines Beitritts
der Türkei zur Gemeinschaft prüfen. |
Zusatzprotokoll
zum Assoziierungsabkommen EWG-Türkei v. 23. 11.1970
(in Kraft am 01.01.1973 –Auszug, Hervorhebungen nicht im Original) Art. 41 (1) Die Vertragsparteien werden
untereinander keine neuen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien
Dienstleistungsverkehrs einführen. (2) Der Assoziationsrat setzt nach den Grundsätzen
der Artikel 13 und 14 des Assoziierungsabkommens die Zeitfolge und die
Einzelheiten fest, nach denen die Vertragsparteien die Beschränkungen der
Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs untereinander
schrittweise beseitigen. Der Assoziationsrat berücksichtigt
bei der Festsetzung der Zeitfolge und der Einzelheiten für die verschiedenen
Arten von Tätigkeiten die entsprechenden Bestimmungen, welche die
Gemeinschaft auf diesen Gebieten bereits erlassen hat, sowie die besondere
wirtschaftliche und soziale Lage der Türkei. Die Tätigkeiten, die in
besonderem Maße zur Entwicklung der Erzeugung und des Handelsverkehrs
beitragen, werden vorrangig behandelt. |