Ausländerrecht für die Polizei

von Volker Westphal und Edgar Stoppa

 

Informationen zum internationalen, europäischen

und nationalen Ausländerrecht

seit 02.09.2000 im Internet

 

 

Sie sind auf der Seite : EU Osterweiterung 2004 und EU-Beitritt Bulgariens und Rumäniens 2007

 

Bitte wählen Sie

 

Startseite   |   Report Ausländerrecht   |   Erläuterungen   |   Fälle mit Lösungen   |   Übersichten   |   Gesetzestexte       

 Muster und Dokumente   |   Urteile   |   Literaturhinweise   |  EU-Osterweiterung 2004 und 2007      

Infos zum Buch Ausländerrecht für die Polizei   |   Wir über uns   |   Kontakt    |   Links     

 

 

Grundlegende Informationen zur EU-Osterweiterung finden Sie im

Report Nr. 11 April 2004

 

>> Report Nr. 11

 

Inhalt: Spezial zur EU-Osterweiterung

Ø  Die Beitrittsstaaten

Ø  Die EU- Freizügigkeitsrechte und die Übergangsregelungen

Ø  Stichwort: Übergangsregelungen

Ø  Kontrollen an der Landgrenze zu Polen und der Tschechischen Republik nach

Ø  dem Beitritt

Ø  Thema Artikel 21 SDÜ

Ø  Sofort anwendbare/noch nicht anwendbare Schengen Regelungen

Ø  Geltung von Artikel 21 SDÜ ?

Ø  Beitrittsstaater: Einreise ohne gültigen Pass

Ø  Auswirkungen des Beitritts auf das Asylrecht

Ø  Dubliner Übereinkommen und Dublin II

Ø  Zurückweisung von Asylbewerbern in die Beitrittstaaten

Ø  Asylbewerber aus den Beitrittsstaaten

Ø  „Alte“ Wiedereinreisesperren gem. § 8 II AuslG

Ø  Die EU im Jahr 2005

Ø  Textauszüge aus dem Beitrittsvertrag

 

 

Beitritt Bulgarien und Rumäniens zur EU am 01.01.2007

 

Bulgarien und Rumänien sind am 01.01.2007 der EU beigetreten. Damit sind 29 Millionen Menschen neue EU-Bürger geworden.

 

Für beide Staaten bestehen Übergangsregelungen - auch im Ausländerrecht - wie für die Staaten, die zum 01.05.2004 im Rahmen der EU-Osterweiterung der EU beigetreten sind. Zahlreiche deutsche Rechtsvorschriften wurden entsprechend angepasst (vgl. BGBl.  I 2006  S. 2814 ff). 

 

Dadurch ist insbesondere die Arbeitnehmerfreizügigkeit für 2 Jahre ausgesetzt - wobei die Beschränkung um weitere 5 Jahre verlängert werden kann. Deutschland kann für 5 Jahre zudem die Dienstleistungsfreiheit für bulgarische und rumänische Unternehmen - u.a. im Bereich des Baugewerbes – beschränken, was durch die Bundesregierung auch erfolgt ist (siehe BANZ v. 30.12.2006). Das Schengen-Recht kommt zunächst nur teilweise zur Anwendung. So werden die Grenzen zwischen den alten Schengen-Staaten und Bulgarien/Rumänien weiterhin kontrolliert und die beiden Staaten wenden noch nicht das Schengen-Visumregime an. Grundsätzlich genießen Bulgaren und Rumänen aber die Rechte der EU-Bürger - insbesondere das allgemeine Freizügigkeitsrecht - und sind damit ausländerrechtlich nicht anders zu behandeln als die „alten EU-Bürger“.

 

Der EU-Beitritt Bulgariens und Rumäniens erfolgte, obgleich noch Zweifel daran bestehen, dass die beiden Staaten die in den Verträgen zugesagten und noch erforderlichen Reformen zur Erfüllung aller Voraussetzungen für eine EU-Mitgliedschaft durchsetzen. Nachdem die EU-Kommission den beiden Staaten jedoch in dem Fortschrittsbericht vom 26.09.2006 trotz erheblicher Bedenken (u.a. mangelnde Korruptionsbekämpfung, Missstände in der Verwaltung und Probleme im Bereich der Grundrechte), grünes Licht für den EU-Beitritt gegeben hat, konnte der Beitritt zum 01.01.2007 erfolgen.

 

In der ausländerrechtlichen Praxis wird insbesondere die - nach wie vor umstrittene - Frage aufkommen, wie mit Bulgaren und Rumänen zu verfahren ist, die nach Maßgabe des AuslG1990 oder des AufenthG ausgewiesen, abgeschoben oder zurückgeschoben wurden. Wir vertreten die Auffassung, dass die durch diese Maßnahmen ausgelöste Sperrwirkung (§ 8 II AuslG1990; § 11 I AufenthG) nach dem Statuswechsel hin zum EU-Bürger nicht mehr zur Wirkung kommt, da für die Betroffenen nun das EU-Recht gilt und auch das FreizügGEU keine Fortgeltung der Sperren des allgemeinen Ausländerrechts vorsieht (Westpha/Stoppa InfAuslR 2004, 133 [137]; siehe auch Report Nr. 13 Seite 1; ebenso Dienelt, Freizügigkeit nach der EU-Osterweiterung 2004 S. 151 ff; Gutmann, InfAuslR 2005, 125).

 

Diese Auffassung ist mittlerweile in der Rechtsprechung überwiegend bestätigt worden (OVG Berlin-Brandenburg B. v 15. 03. 2006, Az: 8 S 123.05 InfAuslR 2006, 259; dgl. v. 18.10.2005 Az: 8 S 39.05; OLG Hamburg B. v. 21.11.2005 1 Ws 212/05; VG Berlin, B. v. 28.10.2005 VG 15 A 275.05; ebenso für nicht bestandskräftige Sperren VGH Kassel, B. v. 29.12. 2004 12 TG 3212/04; aA aber OVG Hamburg v. 22.03.2005 3 Bf 294/04; VG Sigmaringen U. V. 22.02.2005 4 K 16/05).

 

 

 

Arbeitsgenehmigung für Beitrittsstaater

 

Die nachfolgenden Erläuterungen gelten entsprechend auch für die Staatsangehörigen von Bulgarien und Rumänien deren Staaten zum 01.01.2007 der EU beigetreten sind.

 

 

Im Report 11 April 2004 und in unserem Aufsatz über die EU-Osterweiterung (InfAuslR 2004, 133 [135]) haben wir ausgeführt, dass Beitrittsstaater (BSt.), sofern sie am 1. Mai 2004 oder später für einen ununterbrochenen Zeitraum von mindestens zwölf Monaten auf dem deutschen Arbeitsmarkt zugelassen waren, keinerlei Arbeitsgenehmigung (mehr) benötigen (ebenso Fehrenbacher ZAR 2004, 240 [244]).

 

Beispiele: Ein BSt lebt und arbeitet mit einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis seit 1998 in Deutschland. Er benötigt ab dem 01.05.2004 keine Arbeitsgenehmigung. Ein anderer nimmt im Sommer 2004 aufgrund einer Arbeitsgenehmigung eine Beschäftigung auf. Er benötigt 12 Monate lang eine konstitutive Arbeitsgenehmigung, danach keine mehr.

 

Im Hinblick auf die Osterweiterung und die Übergangsregelungen in der Beitrittsakte wurden die arbeitsrechtlichen Vorschriften in Deutschland geändert (Gesetz über den Arbeitsmarktzugang im Rahmen der EU-Erweiterung v. 23.04.2004, BGBl. I S. 602). Nach § 12 a I der Arbeitsgenehmigungsverordnung (ArGV), wird Beitrittsstaatern, sofern sie am 1. Mai 2004 oder später für einen ununterbrochenen Zeitraum von mindestens zwölf Monaten im Bundesgebiet zum Arbeitsmarkt zugelassen waren, abweichend von § 286 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch eine Arbeitsberechtigung erteilt.

 

Demgegenüber gewährt der Beitrittsvertrag den Beitrittstaatern, die diese 12-Monatsvoraussetzung in einem Mitgliedstaat der EU erfüllt haben, unmittelbar den Zugang zum Arbeitsmarkt dieses Mitgliedstaats (vgl. z.B. für Polen ANHANG XII Nr. 2 Freizügigkeit, Ziffer 2, ABlEU L 236 v. 23.09.2003 S. 876).

 

Der Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt besteht dann - wie bei jedem anderen (bisherigen) EU-Bürger- unmittelbar kraft EU-Recht (Art. 39 EGV, VO-EG-1612/68) unabhängig von einer nationalen Genehmigung. Das EU-Recht hat Anwendungsvorrang vor dem nationalen Gesetz und verdrängt die nationale Genehmigungspflicht.

 

Die gem. § 12 a I ArGV vorgesehene Arbeitsberechtigung kann daher keine konstitutive Wirkung, sondern nur deklaratorische Bedeutung haben. Aufgrund des vorrangigen EU-Rechts besteht keine Pflicht sie zu besitzen.

 

Angesichts der Tatsache, dass die Zulassung eines Beitrittstaaters zum Arbeitsmarkt sich nicht einfach aus der Staatsangehörigkeit (EU-Bürgerschaft) ergibt, wollte man wohl dem Zugangsberechtigten eine (gebührenfreie) deklaratorische Arbeitsberechtigung an die Hand geben. Damit kann er sein Zugangsrecht jederzeit belegen. Dies ist insbesondere bei einer Bewerbung gegenüber einem Arbeitgeber oder bei Kontrollen hilfreich.

 

Ungeachtet dieser Nützlichkeitserwägungen begründet § 12 a ArGV aber angesichts des Anwendungsvorrangs des EU-Rechts keine Verpflichtung zur Beschaffung der Arbeitsberechtigung. Ein Beitrittstaater, der die 12 Monats-Voraussetzungen erfüllt hat, darf auch ohne eine Arbeitsberechtigung (weiter) arbeiten. Insbesondere darf das „Fehlen“ dieser deklaratorischen Berechtigung nicht sanktioniert werden (keine OWi gem. § 404 SGB III). Dies wäre u.a. mit dem Diskriminierungsverbot (Art. 39 II EU-Vertrag) unvereinbar, denn weder darf von deutschen Staatsangehörigen noch von den bisherigen EU-Bürgern, die ebenfalls den unbeschränkten Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt haben, eine - wenn auch nur deklaratorische - Arbeitsgenehmigung verlangt werden.

 

Man hätte dies deutlicher hervorheben können, z.B. in dem in diesen Fällen für die Berechtigten auf Antrag eine „Bescheinigung über den unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt“ vorgesehen wäre. Damit hätte eine deutliche Abgrenzung zu einer konstitutiven Arbeitsberechtigung vorgenommen werden können. Den Beitrittsstaatern und vielen Behördenmitarbeitern wird diese Problematik wohl nicht so ohne weiteres geläufig sein.

 

 

 

Grenzübertritt ohne (gültigen) Pass

 

Die Behörden der neuen EU-Staaten haben naturgemäß erhebliche Umstellungsprobleme im Umgang mit dem EU-Recht zu bewältigen.

 

Problemtisch ist vor allem, dass zwar die meisten Rechtstexte der EU - insbesondere die Verträge, Richtlinien und Verordnungen - schon in die Sprachen der Beitrittstaaten übersetzt sind und den Behörden zur Verfügung stehen (vgl. http://www.europa.eu.int/eur-lex/de/accession.html)

jedoch bislang offenbar keine Übersetzungen der EuGH-Urteile vorliegen. Die Auslegung des EU-Rechts wurde aber erheblich durch die Rechtsprechung des EuGH geprägt.

 

So vermag es nicht verwundern, dass die nationale Gesetzgebung der Beitrittsstaaten zur Umsetzung des EU-Rechts (vor allem der Richtlinien) und die konkrete Auslegung nicht immer „gemeinschaftsrechtskonform“ erfolgt.

 

So haben auch die Grenzbehörden der Beitrittsstaaten erhebliche Probleme bei der Einreisekontrolle gegenüber Freizügigkeitsberechtigten – seien es EU-Bürger oder Drittausländer denen abgeleitetes Freizügigkeitsrecht zusteht.

 

Eine häufig gestellt Frage:

Darf ein EU/EWR- oder Schweizer-Staatsbürger die Grenze (Einreise in einen EU-Staat) überschreiten, wenn er sich bei der Grenzkontrolle nur mit einen abgelaufenen Personalausweis ausweist, seine Staatsbürgerschaft aber unumstritten ist ?


Die Antwort lautet eindeutig „Ja”!


Das Einreise- und Aufenthaltsrecht steht dem EU-Bürger allein aufgrund seiner EU-Bürgerschaft zu (ständige Rechtsprechung des EuGH. Pass oder Personalausweis sind nur das Mittel, um die Staatsangehörigkeit zu belegen. Wenn die Staatsangehörigkeit aber auch auf andere Weise bewiesen oder glaubhaft gemacht werden kann, darf die Einreise oder der Aufenthalt nicht verweigert werden. Zwar heißt es in Artikel 3 der Richtlinie EG 68/360 Absatz 1

 

„Die Mitgliedstaaten gestatten den in Artikel 1 genannten Personen bei Vorlage eines gültigen Personalausweises oder Reisepasses die Einreise in ihr Hoheitsgebiet“


Doch hat der EuGH in dem Urteil Giagonides (U. v. 05.03.1991, Rs C-376/89) und noch deutlicher in dem Urteil MRAX (U. v. 25.07.2002, Rs C-459/99) klargestellt, dass der Besitz eines gültigen Passes oder Ausweises nicht zwingende Voraussetzungen für das Einreise- und Aufenthaltsrecht ist. Das jeweilige nationale Verfassungsrecht lässt es auch nicht zu, einem eigenen Staatsangehörigen die Einreise zu verweigern - so hat ein Deutscher in Deutschland das Recht zur Einreise auch ohne Ausweis, wenn seine deutsche Staatsangehörigkeit nicht in Zweifel steht. Das gleiche Recht hat der EU-Bürger in jedem EU-Staat. Bedauerlicherweise sind diese Fakten vielen Behörden nicht bekannt.

 

In der neuen am 29.04.2004 verabschiedeten Richtlinie 2004/38 (ABlEU v. 30.04.2004 L 158 S. 77) über das Einreise- und Aufenthaltsrecht für Unionsbürger und ihren Familienangehörigen, hat man den Vorgaben des EuGH Rechnung getragen und in

 

Art. 5 Abs. 4 regelt:

„Verfügt ein Unionsbürger oder ein Familienangehöriger, der nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt, nicht über die erforderlichen Reisedokumente oder gegebenenfalls die erforderlichen Visa, so gewährt der betreffende Mitgliedstaat dieser Person jede angemessene Möglichkeit, sich die erforderlichen Dokumente in einer angemessenen Frist zu beschaffen oder übermitteln zu lassen oder sich mit anderen Mitteln bestätigen zu lassen oder nachzuweisen, dass sie das Recht auf Freizügigkeit und Aufenthalt genießt, bevor er eine Zurückweisung verfügt.“


Dem nationalen Gesetzgeber ist es aber gestattet, das Überschreiten der Grenze ohne gültigen Ausweis oder Pass als Ordnungswidrigkeit (also lediglich Geldbuße!) zu sanktionieren - wobei aufgrund des Diskriminierungsverbots (Artikel 12 EG-Vertrag) die Voraussetzungen und Höhe der Sanktion nicht anders geregelt sein dürfen, als für eigene Staatsangehörige. Zudem kann verlangt werden - soweit es gesetzlich geregelt ist und gleichermaßen auch für eigene Staatsangehörige gilt - dass der EU-Bürger sich gegen Gebühr einen Passersatz an der Grenze ausstellen lässt (in Deutschland ein sog. Reiseausweis als Passersatz - RaP für 8 Euro).

 
In Deutschland gilt folgende Rechtslage: Deutsche und EU-Bürger, die ohne gültigen Pass / Passersatz oder Personalausweis zur Einreise nach Deutschland kommen erhalten einen RaP gegen Gebühr von 8 Euro - wenn sie den RaP nicht beantragen/bezahlen wollen (eher ein theoretischer Fall), dann muss zwar die Einreise gestattet werden, doch ist dann der Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit erfüllt (§ 25 PassG; 12a AufenthG-EWG) mit einem höheren Bußgeld. Ausnahmen können gelten, wenn die Dokumente ohne Verschulden des Betroffenen abhanden gekommen sind (z.B. Diebstahl) und es nicht zumutbar war, vor der Einreise einen neuen Ausweis zu beantragen.

 

 

 

Weisungslage für die Behörden

Die Weisungen an die Ausländerbehörden des Landes NRW zur EU-Osterweiterung sind im Internet (Homepage Flüchtlingsrat NRW) veröffentlicht worden (Erlass des IM NRW v. 31.03.2004 Az. 15 –05.17 I –2-  EU-Osterweiterung). Sie dürften auf Bundes- und Landesebene abgestimmt sein.

 

In den Weisungen werden viele praktisch bedeutsame Bereiche des EU-Recht dargestellt. Dabei wird die erhebliche ausländerrechtliche Privilegierung, die die Beitrittsstaater als neue EU-Bürger nun genießen, hervorgehoben. 

 

Jedoch haben wir  – teils aufgrund aktueller Rechtsentwicklungen - zu einzelnen Problembereichen eine von der Weisungslage abweichende  Rechtsauffassung.

 

Zwei Bereiche sind hervorzuheben:

 

1. Wiedereinreisesperre:

Die Wiedereinreisesperre gem. § 8 II AuslG sollen für Beitrittsstaater nicht mehr gelten, wenn eine Ausweisung auf §§ 45 oder 46 AuslG gestützt wurde. Hingegen soll eine Sperre, die aufgrund einer Ausweisung nach § 47 AuslG bewirkt wurde (behördenintern) einer individuellen Prüfung unterzogen und dann entweder als weiter wirksam gelten oder aufgehoben werden.

 

Wir halten an unserer Auffassung fest, wonach eine Ausweisung/Abschiebung, die ohne Berücksichtigung des EU-Rechts erfolgt ist, nach dem Statuswechsel hin zum EU-Bürger, keine Wirkung mehr entfalten kann. Diese Auffassung soll dem Vernehmen nach auch auf Bundes- und Landesebene vorgeherrscht haben. Aufgrund des Widerstandes einiger Bundesländer soll aber keine einheitliche Auffassung zustande gekommen sein, und daher wurde – um die Bundeseinheitlichkeit zu wahren- ein „Kompromiss“ geschlossen.

 

Unsere Argumentation wird noch einmal deutlich durch das Orfanopoulos-Urteil des EuGH (U. v. 29.04.2004, Rs. C-482/01 und C-493/01) gestärkt. Danach ist eine „Muss“-Ausweisung nach § 47 AuslG mit dem EU-Recht unvereinbar, so dass eine Freizügigkeitsbeschränkung durch oder aufgrund einer solchen Ausweisung gemeinschaftsrechtswidrig ist und aufgrund des Anwendungsvorrangs des EU-Rechts vor dem nationalen Recht keine Wirkung entfaltet. Somit sind alle Wiedereinreisesperren von Beitrittsstaatern, die aufgrund einer Ausweisung nach § 47 AuslG bewirkt wurden, nicht mit dem EU-Recht vereinbar und ab dem Beitrittsdatum wirkungslos.

 

 

 

2. Art. 21 SDÜ

Nach der Weisungslage soll ein nationaler Aufenthaltstiel eines Beitrittsstaats nicht gem. Art. 21 I SDÜ zum Kurzaufenthaltsrecht in die bisherigen EU-Staaten berechtigen (Art. 21 I SDÜ.). Auch sollen Inhaber nationaler Visa (Typ „D“) der Beitrittsstaaten nicht gem. Art. 18 SDÜ durch die bisherigen EU-Staaten reisen dürfen.

 

Die aufgeführten Begründungen veranlassen uns nicht, von der hier vertreten Auffassung zur Geltung von Art. 18 und 21 SDÜ abzuweichen.

 

 

In dem Buch Dienelt, „Freizügigkeit nach der EU-Osterweiterung“ 2004 Verlag C.H.Beck (Rezension von Renner in ZAR 2004 Ausgabe 11/12) hat Richter am VG Darmstadt Klaus Dienelt beide Problembereiche aufgegriffen (S. 151 ff und S. 164 ff) und unsere Rechtsauffassung mit ausführlicher Begründung bestätigt.

 

Nachdem ab Ende 2007 (voraussichtlich ab 21.12.2007) die Vollanwendung des Schengen-Rechts in den Staaten erfolgt, die am 01.05.2004 der EU beigetreten sind, erledigt sich  für Drittausländer, die Aufenthaltstitel von diesen Staaten erhalten haben diese Problematik. Für Drittausländer, die in Bulgarien und Rumänien leben, bleibt sie aber vorerst bestehen.

 

 

 

 

 

 

§ 284 SGB III

 

Arbeitsgenehmigung-EU für Staatsangehörige der neuen EU-Mitgliedstaaten

 

(1) Staatsangehörige der Staaten, die nach dem Vertrag vom 16. April 2003 über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union (BGBl. 2003 II S. 1408) der Europäischen Union beigetreten sind, und deren freizügigkeitsberechtigte Familienangehörige dürfen eine Beschäftigung nur mit Genehmigung der Bundesagentur für Arbeit ausüben und von Arbeitgebern nur beschäftigt werden, wenn sie eine solche Genehmigung besitzen, soweit nach Maßgabe des EU-Beitrittsvertrages abweichende Regelungen als Übergangsregelungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit Anwendung finden. Dies gilt für die Staatsangehörigen der Staaten entsprechend, die nach dem Vertrag vom 25. April 2005 über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Europäischen Union (BGBl. 2006 II S. 1146) der Europäischen Union beigetreten sind.

(2) Die Genehmigung wird befristet als Arbeitserlaubnis-EU erteilt, wenn nicht Anspruch auf eine unbefristete Erteilung als Arbeitsberechtigung-EU besteht. 2Die Genehmigung ist vor Aufnahme der Beschäftigung einzuholen.

(3) Die Arbeitserlaubnis-EU kann nach Maßgabe des § 39 Abs. 2 bis 4 und 6 des Aufenthaltsgesetzes erteilt werden.

(4) Ausländern nach Absatz 1, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben und eine Beschäftigung im Bundesgebiet aufnehmen wollen, darf eine Arbeitserlaubnis-EU für eine Beschäftigung, die keine qualifizierte Berufsausbildung voraussetzt, nur erteilt werden, wenn dies durch zwischenstaatliche Vereinbarung bestimmt ist oder aufgrund einer Rechtsverordnung zulässig ist. Für die Beschäftigungen, die durch Rechtsverordnung zugelassen werden, ist Staatsangehörigen aus den Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach Absatz 1 gegenüber Staatsangehörigen aus Drittstaaten vorrangig eine Arbeitserlaubnis-EU zu erteilen, soweit dies der EU-Beitrittsvertrag vorsieht.

(5) Die Erteilung der Arbeitsberechtigung-EU bestimmt sich nach § 12a Arbeitsgenehmigungsverordnung.

(6) Das Aufenthaltsgesetz und die aufgrund des § 42 des Aufenthaltsgesetzes erlassenen Rechtsverordnungen zum Arbeitsmarktzugang gelten entsprechend, soweit sie für die Ausländer nach Absatz 1 günstigere Regelungen enthalten. Bei Anwendung der Vorschriften steht die Arbeitsgenehmigung-EU der Zustimmung zu einem Aufenthaltstitel nach § 4 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes gleich.

(7) Ein vor dem Tag, an dem der Vertrag vom 25. April 2005 über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Europäischen Union (BGBl. 2006 II S. 1146) für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten ist, zur Ausübung der Beschäftigung eines Staatsangehörigen nach Absatz 1 Satz 2 erteilter Aufenthaltstitel zur Ausübung einer Beschäftigung gilt als Arbeitserlaubnis-EU fort, wobei Beschränkungen des Aufenthaltstitels hinsichtlich der Beschäftigungsbedingungen als Beschränkungen der Arbeitserlaubnis-EU bestehen bleiben. Ein vor diesem Zeitpunkt erteilter Aufenthaltstitel, der zur unbeschränkten Ausübung einer Beschäftigung berechtigt, gilt als Arbeitsberechtigung-EU fort.

 

Auszug aus ANHANG XII zur Beitrittsakte: Liste nach Art. 24 der Beitrittsakte zu Polen

 

(Anmerkung: Entsprechende Regelungen bestehen für alle anderen Beitrittsstaaten mit Ausnahme für Malta und Zypern. Hervorhebungen nicht im Original)

 

2. Freizügigkeit

….

13. Um tatsächlichen oder drohenden schwerwiegenden Störungen in bestimmten empfindlichen Dienstleistungssektoren auf ihren Arbeitsmärkten zu begegnen, die sich in bestimmten Gebieten aus der länderübergreifenden Erbringung von Dienstleistungen im Sinne des Art. 1 der RL 96/71/EG ergeben könnten, können Deutschland und Österreich, solange sie gemäß den vorstehend festgelegten Übergangsbestimmungen nationale Maßnahmen oder Maßnahmen aufgrund von bilateralen Vereinbarungen über die Freizügigkeit polnischer Arbeitnehmer anwenden, nach Unterrichtung der Kommission von Art. 49 I des EG-Vertrags abweichen, um im Bereich der Erbringung von Dienstleistungen durch in Polen niedergelassene Unternehmen die zeitweilige grenzüberschreitende Beschäftigung von Arbeitnehmern einzuschränken, deren Recht, in Deutschland oder Österreich eine Arbeit aufzunehmen, nationalen Maßnahmen unterliegt. Folgende Dienstleitungen können von der Abweichung in Deutschland betroffen sein:

 

 

Die betroffenen Sektoren siehe Report Nr. 11 Seite 6